Zugegeben, diese Behauptung ist ein wenig gewagt, wo doch seit Urzeiten bekannt ist, dass im Kinder-, und Jugendalter viel schneller und einfacher gelernt werden kann. Es ist mehrfach empirisch erwiesen worden, dass die Frequenz, mit der neue neuronale Verknüpfungen im Gehirn geschlossen werden, mit zunehmendem Alter signifikant zurückgeht.

Gerade in den ersten zwei Lebensjahren entwickelt sich das Gehirn mit atemberaubender Geschwindigkeit weiter – vorausgesetzt, es wird ausreichend gefördert. Das sind unumstrittene Tatsachen, die auch ich nicht in Frage stellen möchte. Doch warum dann dieser Titel? Ich möchte diesen anhand des folgenden – natürlich sehr hypothetischen – Gedankenexperimentes versuchen zu rechtfertigen.

Enkel vs. Großvater – wer lernt schneller?

Angenommen, ein älter Herr würde seinen jugendlichen Enkel zu einem freundschaftlichen Schachspiel herausfordern. Keiner der beiden hat jemals im Leben auch nur ein Mal Schach gespielt. Somit hatten beide erst vor wenigen Minuten ihre erste Begegnung mit diesem Brettspiel. Nehmen wir weiter an, dass der Pensionist schon mehrere ähnliche Brettspiele kennt. Möglicherweise ist er ein exzellenter Bridge Spieler und möchte sich nun auch einmal am Schach versuchen.

Der Enkel hingegen hat vielleicht noch nie ein derartiges Brettspiel gespielt und keine Erfahrung im Umgang mit solchen. Somit hätte der Pensionist  bereits vom ersten Zug an einen gewaltigen Vorsprung.

Wer gewinnt?

Junge Menschen können Reize schneller und leichter speichern, wohingegen ältere Menschen auf bereits gesammelte Reize zurückgreifen können, da sie ja schon viel Erfahrung haben. Je mehr Erfahrung wir haben, desto häufiger verknüpfen wir neue Wahrnehmungen mit bereits erlangtem Wissen und können so neue Schlüsse ziehen, ohne aktiv etwas neues gelernt zu haben. Je mehr Wissen und Erfahrung vorhanden ist, umso einfacher können wir Zusammenhänge erkennen, ohne immer wieder von vorne anfangen zu müssen. Daher wird der ältere Schachanfänger bereits gesammelte Erfahrungen aus anderen Spielen direkt übernehmen können und daher schnell erfolgreich agieren und schließlich gewinnen – zumindest in den ersten Runden.

Es würde zunächst eine Weile dauern, bis der Enkel den erfahrungsbedingten Vorsprung aufholt. Langfristig gesehen wird er vermutlich schneller ein besserer Schachspieler als sein Großvater, da er sein persönliches Schachtalent noch von Grund auf prägen kann.

Mit diesem Gedankenexperiment möchte ich aufzeigen, dass die Lerngeschwindigkeit von mehreren Faktoren abhängt. Das Alter ist nur einer davon.

Älterer Menschen haben einen Vorteil beim Sprachen Lernen

Analog zum Schachspiel kann diese These natürlich auch auf andere Situationen angewandt werden. So, wie der ältere Herr bereits Experte in Bridge ist, so sind wir alle Experten in unserer Muttersprache. Von Geburt an befassen wir uns täglich intensiv mit der eigenen Muttersprache. Eine Fremdsprache ist im Grunde genommen nichts anderes, als eine andere Variante desselben Prinzips. Das ist auch der Grund dafür, dass Menschen, die bereits mehrere Fremdsprachen beherrschen, sich beim Erlernen einer weiteren weitaus weniger schwer tun als andere, die vielleicht nur eine Sprache können.

Fazit

Auch ältere Menschen können durchaus noch eine neue Fremdsprache lernen – vorausgesetzt die Motivation ist vorhanden. Somit gilt die klassische Ausrede

„Ich bin schon zu alt um jetzt noch eine neue Sprache zu lernen.“

meiner Meinung nach nicht. Außerdem stellt das Erlernen einer Sprache eine willkommene Abwechslung zum oftmals recht monotonen Alltag mancher Pensionisten dar.  Also hoch mim Hintern und los geht’s!

Lektüre zum Thema

Psychologie des Alterns
Das wissenschaftliche und gleichwohl sehr angenehm lesbare Standardwerk von Ursula Lehr. Die Autorin räumte bereits in den 70ern Jahren mit dem Vorurteil auf, dass es mit der kognitiven Leistung älterer Menschen allmählich kontinuierlich bergab geht. Die aktuelle Auflage wurde wurde bereits mehrfach überarbeitet und basiert nicht auf dem Wissenstand der 70er!

Je älter desto besser: Überraschende Erkenntnisse aus der Hirnforschung
Unter diesem schmissigen Titel nimmt sich der emeritierte Hirnforscher Pöppel der Angelegenheit an.

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